Projekt „Seenuntersuchungen“

Zusammenfassung

In den Jahren 1993-2005 führte ich im Auftrag der Bäderverwaltung des Badesee Buchtzig bei Ettlingen-Oberweier das   Monitoring für den See durch. Die Unterlagen daraus ermöglichen eine Korrelation zwischen dem TDP/TP-Verhältnis und dem Besatz mit Rotaugen zu berechnen, dazu die Korrelation des Gesamtphosphors (TP) mit der Biomasse der Cladoceren. Zwei parallel verlaufende Steigungen in der Regression TP gegen Cladocerenbiomasse entsprechen dem Modell, das Scheffer für das Zooplankton errechnet hat (Scheffer 2004). Mit diesen Ergebnissen sind Grundlagen der Ökologie, den unterschiedlichen Zuständen in einem Ökosystem und dem Wechsel zwischen diesen angesprochen. In einer Fortführung des Projektes wäre die Qualität von Arbeitsgeräten zu prüfen, zwecks Filterung von Wasserproben im Labor und der Zooplanktonbeprobung auf dem See. Langzeituntersuchungen an Seen mit und ohne Badebetrieb sowie mit und ohne Fischerei sind dafür angebracht um die Schwellenwerte zwischen unterschiedlichen ökologischen Zuständen zu ermitteln.

Einleitung

Im Oberrheintal gibt es mehr als hundert künstliche Seen und an den meisten bestehen Fischereipachtverträge mit Angelvereinen. Seit Beginn der Auskiesungen werden die Baggerseen mit Fischen besetzt. Die Fischbesätze werden z. T. regelmäßig wiederholt, so auch im Buchtzigsee während ich den See untersucht habe. Die Ergebnisse aus diesen Langzeituntersuchungen über 13 Jahre im Auftrag der Bäderverwaltung am Buchtzigsee stehen auf der Homepage www.p-fraktionen.de zwecks Prüfung und Nachbearbeitung durch Dritte. Eine Zwei-Seiten-Veröffentlichung wurde in Fischer und Teichwirt 5/2020 gedruckt (Keim 2020). Außerdem hat die DGL meinen Beitrag über die Ergebnisse von 1993-2005 für ihre Jahres-hauptversammlung in Leipzig in ihren Jahresbericht 2022 aufgenommen (Keim 2022). Die Auswertung der Unterlagen vom Badesee Buchtzig zeigten Möglichkeiten, unterschiedliche ökologische Zustände und ihre Veränderungen zu erfassen. Das ist weiter zu führen für die Kausalanalyse des Ökosystems See.

Ein See ist vielfältigen Einflüssen ausgesetzt. Seenmanagement zur Steuerung der Einflüsse aus menschlichen Aktivitäten ist gefordert. Die Kenntnis der Kausalzusammenhänge ist eine der Voraussetzungen für ein rationales Management des Sees, um Schutz, Erhaltung und Nutzungen durch Menschen zusammen zu bringen. Fischbesatz kann den ökologischen Zustand eines Sees verändern und die Wirkung solcher Fischbesätze wird schon länger diskutiert (Tremel 1995). Es fehlte aber oft der Zugang zu den Besatzberichten der Angelvereine. Das Zooplankton wird bisher nach der Size-Efficiency-Hypothese bewertet (Brooks & Dodson 1965). Tatsächlich ist die Wirkung von Nährstoffversorgung und Fischbestand auf das Zooplankton sehr komplex und bedarf weiterer Untersuchungen. . Es fehlte aber oft der Zugang zu den Besatzberichten der Angelvereine.

Begründung

Es fehlt bisher an geeigneten Arbeitsmethoden für solche Arbeitsaufgaben. Eine Fischbestandsaufnahme ist aufwändig. Die Korrelation von Besatz mit planktivoren Fischen mit einem limnologischen Parameter ist gewünscht. Es braucht ein Merkmal, das mit einem vertretbaren Aufwand gemessen werden kann. Das Zooplankton bedarf der besonderen Aufmerksamkeit, weil es ein Scharnier darstellt für die Wirkung der Nährstoffversorgung (bottom-up) und des Tierbestandes (top-down). Es gibt wohl gute Arbeitsansätze, um die Einflüsse auf das Zooplankton zu erfassen. Diese reichen bisher nicht soweit, um bottom-up und top-down in ihrer Wirkung auf das Zooplankton zu differenzieren. Die Arbeitsergebnisse bei der Filtration von Wasserproben mit Hilfe der Schwerkraft und dem Pumpenfang des Zooplanktons sind ein Anfang und weiter zu führen. 

In der Leibniz-Gesellschaft arbeitet Prof. Arlinghaus über den Hecht (Arlinghaus et al. 2015). Über Karpfenbesatz gibt es Veröffentlichungen aus Nordamerika und Frankreich (Crivelli 1983). Benndorf und seine Mitarbeiter haben an der Talsperre Bautzen viele Jahre die Wirkung von Raubfisch-besatz auf das Zooplankton bearbeitet (Benndorf et al. 1995). Über Rotaugenbesatz kenne ich nur die Ergebnisse vom Buchtzigsee (Keim 2022). Das Rotauge ist aber in Mitteleuropa beim Besatz durch Angelvereine ganz oben.

Die Ergebnisse vom Buchtzigsee sind bisher ein Einzelfall, der an anderen Seen zu über-prüfen ist. Im Oberrheintal mit seinen vielen künstlichen Seen ist das Arbeitsfeld.

Arbeitsmethodik und Gerätefrage

Es sind Arbeitsgeräte und Arbeitsmethoden für die Praxis des Gewässermanagement gefragt. Das bedingt, sich vorher um die Grundlagen zu kümmern.

Welche Vor- und Nachteile weisen die unterschiedlichen Geräte auf? Ist ein Gerät für den Zweck geeignet und wie kann ich dieses verbessern. U. U. besorge ich mir Zusatzmaterial, um die gewünschte Arbeitsqualität zu erzielen.

Die Beprobung wird vormittags vom Boot aus als ein Tiefenprofil angelegt mit meterweisen Messungen der Temperatur, Sauerstoffkonzentration, pH-Wert und der Leitfähigkeit. Dazu wird die Sichttiefe gemessen. Wasserproben werden als Mischproben aus dem Epi- und Hypolimnion gezogen und am gleichen Tag filtriert. Filtrat und beschlagene Filter werden mit Kaliumperoxodisulfat oxidiert und am nächsten Tag ist der Phosphor zu messen. Aus diesen Wasserproben wird auch der SBV gemessen.

Für Wasserproben aus einem Bergbach kann ich die Unterdruckfiltration benutzen, die Feststoffpartikel bestehen aus Detritus. Wasserproben aus einem Fluss, See oder dem Meer enthalten lebende Algenzellen, hier muss ich Druckunterschiede und Trockenfallen der Filtermembran vermeiden, sonst würden lebende Zellen beschädigt (Goldman & Dennett 1985; Kiene & Slezak 2006). Also benutze ich die Schwerkraftfiltration in einer schonenden Weise: die maximale Fallhöhe beträgt einen Meter, so dass das Filtrat tropft und die Filtermembran bleibt nass.

Für das Zooplankton stellt sich mir die Frage, wie ich die Proben nehme und wo ich filtriere: bei einem Netzzug ist das Netzgewebe ein Hindernis, die Netzmaschen verstopfen (Kofoid 1897 a,b) und es gibt unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten im Bereich der Netzöffnung (Brandner et al. 1993). Für Organismen mit geringer Dichte wie den pelagischen Fischeiern und Fischlarven im Meer kann ich ein Netz mit 300 µ Maschenweite durch das offene Meer ziehen. Ein zylindrischer Netzteil hinter der Netzöffnung vermindert unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten in der Netzöffnung. Die Bremse durch das Netzgewebe kann durch die Erhöhung der Zahl der Netzmaschen kompensiert werden. Das Netz wird dafür länger konstruiert (Smith et al. 1968). Die Effizienz des Netzzuges wird mit je einem Flowmeter in und außerhalb der Netzöffnung geprüft. Ist der Unterschied zwischen beiden Messungen kleiner als 85 % wird die Probe verworfen (Sameoto et al 1983). Für das Zooplankton in Seen muss ich ein Netzgewebe mit Maschen von 100 µ und kleiner verwenden. Der Widerstand des Netzgewebes wird dann zu hoch. Ich benutze daher eine Pumpe und filtriere das Wasser auf dem Boot. Ein Schlauch auf einer Rolle würde viel Reibung verursachen und damit sehr unterschiedliche Pumpenleistungen bedingen (Powlik et al. 1991). Der Schlauch wird deshalb ersetzt durch ein Rohrgestänge, deren Einzelrohre je einem Meter lang sind. Das filtrierte Wasservolumen ist so leicht zu erfassen und brauchbar zur Berechnung der Dichte der Zooplanktonorganismen.

Ich sehe, dass in der Meeresbiologie wichtige Schritte für die Wahl und Konstruktion der Arbeitsgeräte getan wurden. Auf der anderen Seite ist das ökologische Geschehen im Meer äußerst komplex. Kleine Seen bieten Bedingungen, für die einige Einflussgrößen wegfallen. Es fehlen die Gezeiten und rein pelagische Fischarten wie die Coregonen existieren nur in Seen mit weniger als 80 ha Fläche. Ein kleiner See bietet deshalb Gelegenheit, um Grundfragen der Ökologie zu bearbeiten, z. B. den Wechsel zwischen Zuständen mit und ohne planktivore Fische.

Eingehende Untersuchungen mit Phosphormessungen sollen Aufschluss geben über Störungen in der Beziehung TP-Cladoceren-Biomasse, verursacht möglicherweise durch die Wahl der Arbeitsgeräte oder kurzfristig erfolgte Nährstoffmobilisierungen aus dem Uferbereich. Auch die Beziehung des Gesamtphosphors (TP) mit dem TDP/TP-Verhältnis ist zu prüfen, welche Einflüsse störend sind oder ob es möglich ist, eine Korrelation auf signifikantem Niveau zu erstellen.

Die Kooperation mit schon bestehenden Untersuchungsprogrammen zu den Fischbeständen ist gewünscht. Die Zusammenarbeit mit einem Angelverein ist unerlässlich. Ich wünsche einen verlässlichen Partner für das Seenprojekt, den finde ich am ehesten bei einem großen Verein wie dem Anglerverein Karlsruhe e. V.

Es gibt Kriterien für die Qualität der Ergebnisse.

Korrelation mit anderen Parametern

Bestimmtheitsmaß  r2 : zu wie viel Prozent besteht eine Abhängigkeit

Korrelationskoeffizient, zu berechnen aus dem Bestimmtheitsmaß und Überprüfung anhand der Schranken für die Signifikanz.

Zwei parallel verlaufende Steigungen entsprechen dem Modell, das von Scheffler für das Zooplankton vorausgesagt worden war.

Anfang mit Praxisfragen: bessere Arbeitsgeräte zur Vermeidung von unerwünschten Veränderungen im Material bei der Beprobung und Probenbearbeitung. Z. B. Verstopfung der Netzmaschen beim Netzzug, Beschädigung von Zellwänden beim Trockenfallen auf der Filtermembran. Welche möglichen Nachteile haben Pumpenfang und Schwerkraftfiltration. Wie weit wirken sich diese auf die Arbeitsergebnisse aus?  

Welche störenden Einflüsse gab es im Badesee Buchtzig im Vergleich zu anderen Seen?

Am Buchtzigsee ist in der Beziehung TP gegen das TDP/TP-Verhältnis eine hohe Streuung sichtbar. Die Regression wird deshalb nicht gerechnet. Die Frage kommt, woher im Unterschied zum Wilhelmswörthweier diese Streuung herrührt. Ist hier eine Einwirkung durch den Badebetrieb sichtbar? Es betrifft teilweise die Messungen im Monat Juli, also zur hohen Zeit des Badebetriebes. Die Daten vom Monat Juli wurden auch für die Regression TP gegen die Cladocerenbiomasse aussortiert, um eine Rechnung auf signifkantem Niveau zu erhalten.

Untersuchungsprogramm für die Seenuntersuchungen  Stand Oktober 2022

Erstes Jahr:

  1. für Filtration von Wasserproben über Vakuum oder Schwerkraft
  2. Gerätevergleich für Zooplanktonbeprobung über Vertikal mit dem konischen Netz oder Pumpenfang
  3. Aufbau einer Daphnienzucht einschließlich Futteralgen mit Daphnia galeata und D. cucullata und ihren Hybriden
  4. Aufbau einer molekularbiologischen Identifikation von Wasserflöhen und Fischen
  5. Beginn von Langzeituntersuchungen an Seen nach dem „Bruchsaler Modell“ mit monatlichen Beprobungen, also Pumpenfang und Schwerkraftfiltration

Zweites Jahr:

  1. Weiterführung der Langzeituntersuchungen für Phosphor, Plankton und Fischbeständen. Wo bleiben die Besatzfische?
  2. Welche genetischen Veränderungen erfahren die Daphnien vor und nach dem Fischbesatz und ohne Fischbesatz?
  3. Wie hoch und breit muss ein Planktontower sein, damit die Vertikalwanderung stattfindet?
  4. Versuche im Planktontower zwecks Ermittlung von Schwellenwerten in der Konzentration von Gallensäuren aus Fischen zur Auslösung der täglichen Vertikalwanderung

Drittes Jahr:

  1. Weiterführung der Langzeituntersuchungen für Phosphor, Plankton und Fischbeständen. Wo bleiben die Besatzfische?
  2. Grundlagenuntersuchungen über Kausalzusammenhänge erfordern bessere Nachweismethoden auf dem See und im Labor. Bei Arbeiten, die ich nach außen gebe, vergebe ich die Sachkunde nach außen. Der Austausch mit anderen Laboratorien ist erwünscht.

Literatur

Arlinghaus, Robert; Eva-Maria Cyrus; Erik Eschbach; Marie Fujitani; Daniel Hühn; Fiona Johnston; Thilo Pagel; Carsten Riepe (2015): Hand in Hand für eine nachhaltige Angelfischerei. Ergebnisse und Empfehlungen aus fünf Jahren praxisorientierter Forschung zu Fischbesatz und seine Alternativen. Berichte des IGB. Heft 28/2015. 200 Seiten.

Benndorf, Jürgen (1995): Possibilities and Limits for Controlling Eutrophication by Biomanipulation. Internationale Revue der gesamten Hydrobiologie und Hydrographie 80: 519-534.

Brander, Keith M., Stephen P. Milligan and J. H. Nichols (1993): Flume tank experiments toestimate the volume filtered by high-speed plankton samplers and to assess the effect of net clogging. Journal of Plankton Research. 15, 385-401.

Brooks, J. L., Dodson S.L. (1965): Predation, body size, and composition of plankton. Science 150: 28-35.

Crivelli, Alain J. (1983): The destruction of aquatic vegetation by carp. Hydrobiologia 106:37-41.

Goldman, J. C., Dennett, M. R. (1985): Susceptibility of some marine phytoplankton species to cell breakage during filtration and post-filtration rinsing. Journal of Experimental Marine Biology and Ecology 86 (1): 47-58.

Hrbacek, J.; Dvorakova, M,; Korinek, V,; Prochazkova, L. (1961): Demonstration of the effect of the fish stock on the species composition of zooplankton and the intensity of metabolism of the whole lake plankton assemblage. Mitteilungen der Internationalen Vereinigung für Theoretische und Angewandte Limnologie 14:192-195.

Kiene, R. P., Slezak D. (2006): Low dissolved DMSP concentrations in seawater revealed by small-volume gravity filtration and dialysis sampling. Limnology and Oceanography, Methods 4: 80-95.

Kofoid, C.A. (1897a): Plankton Studies I. Methods and Apparatus in use in Plankton Investigations at the Biological Experimental Station, University of Illinois. Bull. 3 State Lab. Nat. Hist. Bd. 5.

Kofoid, C.A. (1897b): On some important sources of error in the plankton methods. Science,.N.S. Bd. 6.

Lenz, J. (1972): A new type of plankton pump on the vacuum principle. Deep-Sea Research 19: 453- 459.

McQueen, Donald J. & Yan, Norman D. (1993): Metering filtration efficiency of freshwater zooplankton hauls: reminders from the past. Journal of Plankton Research 15, no. 1, 57-65.

Pace, M. L. (1986): An empirical analysis of zooplankton community size structure across lake trophic gradients. Limnologgy and Oceanography 31: 45-55.

Powlik, James J., Michael A. St. John, Robert W. Blake (1991): A retrospective of plankton pumping systems, with notes on the comparative efficiency of towed nets. Journal of Plankton Research 13, 901-912.

Sameoto, D: D. (1983): Micronekton Sampling using a New MultipleNet Sampler, the BIONESS, in Conjunction with a 120 kHz Sounder. Biological Oceanography, 2: 2-4, 179 -198. https://doi.org/10.1080/01965581.1983.10749457.

Scheffer, Marten (2004): Ecology of Shallow Lakes pp. 357. Population and Community Biology Series (PCBS, volume 22). Springer Book Archives.

Tremel, B., (1995): Eutrophierungserscheinungen bei niedrigen Phosphorgehalten. Ein Vergleich zweier unterschiedlich genutzter Baggerseen. S. 179-192.  In: Limnologie aktuell. Band 7: Abgrabungsseen – Risiken und Chancen (Hrsg. Geller, W. und G. Packroff).