Ich will Abstand von den Dingen in meinem Leben und von den Dingen, die mich beruflich beschäftigen. Weil ich Zweifel an festen Aussagen hege und letztere hinterfrage. Das gilt zum Beispiel für die Messungen von Phosphor aus Binnengewässern.
Wer glatte, runde Dinge erwartet, wird enttäuscht sein.
In der menschlichen Gesellschaft herrscht Ordnung. Es gibt oben und unten, feste Regeln und Freiräume. Stabilität bedeutet, dass die Ordnung akzeptiert ist. Träger der Ordnung berufen sich auf langjährige Erfahrungen und auf Prüfungen von Umständen und Arbeitsgeräten. Was ist gut zur Bearbeitung von Fällen? Welche Verfahrensweisen sind anzuwenden?
Es geschieht auch, dass ein wirtschaftlicher und sozialer Wandel eintreten kann.
Wer kümmert sich um neue Sachfragen? Reichen in solchen Fällen die bisherigen Arbeitsweisen?
Zum Beispiel entstanden seit den dreißiger Jahren im Oberrheintal künstliche Seen als Folge von Kiesbaggerungen. Die Bevölkerung in den umliegenden Ortschaften nahmen das als Gelegenheit wahr und gründeten Angelvereine, um dort Fische zu fangen. Wer kontrolliert den Besatz und Fang von Fischen durch die Angler? Die Behörden sind damit überfordert. Eine Zeitlang wurde der Fischbesatz mit Zuschüssen belohnt, damit man wusste, was vor sich ging. Fälle von Missbrauch wurden als Anlass genommen, um diese Zuschüsse einzustellen. Aber es wird weiterhin Besatz getätigt. Eine flächenhafte Kontrolle ist nicht möglich. Es fehlen die personellen und fachlichen Möglichkeiten. Mit anderen Worten: es gibt einen Missstand. Das ist ein Grund für mich, nach einer Erweiterung der Arbeitsmethoden an solchen Gewässern zu suchen.
05. Januar 2022
Limnologie ist eine Wissenschaft, in der Bewertungen vorgenommen werden. Die Anwesenheit des für Menschen lebensnotwendigen Sauerstoffs gilt z. B. als ein Maßstab. Hinzu kommen Veränderungen im Ökosystem durch menschliche Handlungen. Das betrifft die Folgen von Nutzungen, wie den Abbau von Sand und Kies, oft verbunden mit der Freilegung von Grundwasser, Ausübung der Fischerei, sowie Freizeitaktivitäten wie Baden, Tauchen, Bootfahren, Surfen und Schlittschuhlaufen.
Wie weit können solche Nutzungen beobachtet, dokumentiert und bewertet werden? Damit stellt sich eine Grundfrage für die Arbeit als Sachverständiger. Wie zuverlässig sind die benutzten Arbeitsgeräte? Nach meiner Ausbildung und Berufserfahrung sehe ich mich als Fachmann für Gewässer und Fischerei. Das fällt unter Wissenschaft und damit sind wir beim Punkt. Wissenschaftler haben eine harte Ethik. Ganz vorne steht die Ehrlichkeit. Dazu wird von mir Unabhängigkeit erwartet. Das ist leicht gesagt, in der Praxis geht die Arbeit nicht ohne Geld. Ich habe Aufwendungen für meine Geräte, muss meine Miete bezahlen und brauche Sachen zum Essen und Anziehen.
Was sagen mir mögliche Auftraggeber? Manche sind schweigsam und legen eine Liste von Interessengruppen auf den Tisch und andere erwähnen, ich möge doch ein Buch über ihr Gewässer schreiben.
10. Januar 2022
Ich sehe das Jahr 1972 als denkwürdig an. Damals bewertete der Medizinhistoriker Porep die Auseinandersetzung zwischen Ernst Haeckel und Victor Hensen als Methodenstreit in der Planktologie. Und im gleichen Jahr veröffentlichte Lenz seinen Vergleich von Netzfang und Pumpenfang auf Zooplankton mit einer Bewertung: wann und wo ist welches Gerät vorteilhaft und angebracht.
15. Januar 2022
Da hatte ich den Kontakt zu einem möglichen Auftraggeber hergestellt. Eine gemeindeeigene Stelle zuständig für einen ehemaligen Baggersee, heute mit Mehrfachnutzung: Badebetrieb und Verpachtung als Fischwasser an einen Angelverein. Der Beauftragte in der Gemeinde will wissen, wie es um sein Gewässer steht. Er will seinen Badegästen, dass er ihnen Badefreuden in einem sauberen Gewässer bieten kann, wo keine Bedenken für die Gesundheit bestehen.
Es gibt mehr als hundert Baggerseen im Oberrheintal. Die Behörden wären mit einer regelmäßigen Kontrolle all dieser Gewässer überfordert. Sie setzen Schwerpunkte wo es Probleme gibt. Also sollen freiberufliche Sachverständige in die Lücke springen.
Ich bin als Freiberufler bei der Industrie- und Handelskammer registriert und der zuständige Referent dort drückt mir ein Merkblatt in die Hand. Der wichtigste Satz darin heißt: unabhängig arbeiten.
Ich mache mir Gedanken über den Arbeitsumfang eines solchen Untersuchungsauftrages zum Monitoring. Es gibt im Jahr 1993 eine Zusage von DM 10000 als maximale Höhe der Kosten. Was kann ich für solch einen Betrag an Leistung erbringen?
Profil erstellen: Sauerstoff, Leitfähigkeit, pH-Wert, SBV, Phosphorkonzentrationen, Benthos, Phyto- und Zooplankton, dazu die fischereilichen Unterlagen wie Besatzbericht und Fanglisten.
17. Januar 2022
Die Messungen bei der Beprobung und an den Proben im Labor ermöglichen den Istzustand festzustellen. Das ermöglicht eine Bewertung des ökologischen Zustandes. Eine weitere Arbeitsaufgabe des Ökologen besteht in der Erstellung von Voraussagen. So schrieb es Henry R. Peters in seinem Buch „A Critique for Ecology“. Voraussagen sind möglich anhand von Regressionsrechnungen auf einem signifikanten Niveau, wobei Scheinkorrelationen auszuschließen sind. Also heißt es prüfen, prüfen und immer wieder prüfen. Dabei geht es um Einsicht in Wirkungszusammenhänge innerhalb des Ökosystems und die Einflüsse von außen. In die Prüfung einzuschließen ist eine Bewertung der verwendeten Geräte. Elektrische Messgeräte zur Erhebung von physikalischen und chemischen Merkmalen sind heute gut handhabbar und zuverlässig. Auch die Mikroskopie der biologischen Proben ist gut standardisiert. Meine Zweifel richten sich auf Filtrationsvorgänge mit biologischem Material. Was geschieht mit lebenden Algen und Bakterien wenn sie beim Filtrieren mittels Unterdruckpumpe den Druckschwankungen und dem Trockenfallen auf der Filtermembran ausgesetzt sind. Immerhin sind diese Lebewesen stets von Wasser umgeben. Das Trockenfallen ist in ihrem Lebensplan nicht vorgesehen. Ich kann mir vorstellen, dass solches eine Beschädigung hervorruft. Über die körperlichen Folgen ist sehr wenig bekannt. Ein weiteres Problem ist die Beprobung des Zooplanktons. Vor der mikroskopischen Untersuchung müssen diese Lebewesen konzentriert, also filtriert werden. Das einfachste ist der Vertikalzug mit einem Planktonnetz im See. Dabei treten Störungen auf, z. B. verursachen Halteleinen zwischen der Zugleine und der Netzöffnung Geräusche. Diese sind ein Signal für Zooplankter für die Geräteflucht. Algen und Zooplankter werden vom Netzmaterial zurückgehalten, kommen auch auf die Netzmaschen zu liegen, welche damit verstopft sind. Solche Verstopfung ist nicht berechenbar. Das Zugnetz liefert deshalb allenfalls halbquantitative Ergebnisse und es bleibt eine hohe Streuung. Eine statistische Auswertung bleibt zweifelhaft. Die Alternative für die Zooplanktonbeprobung ist der Pumpenfang, bei dem die Filtration auf das Boot verlegt wird. Dabei muss die Einstromgeschwindigkeit am Ansaugstutzen höher sein als die Fluchtgeschwindigkeit der Zooplankter. In unserer Erfahrung kann dies bei einem Rohrdurchmesser von 45 mm und einer Pumpenleistung von einem Liter pro Sekunde erreicht werden.
02. Februar 2022
Leider liegt das Arbeitsprojekt Seenuntersuchungen weiter auf Eis. In der Fortsetzung der Arbeiten am Badesee Buchtzig brauchen wir einen neuen Ansatz. Die Fragen, welche bei der Auswertung aufgetaucht sind und in der Veröffentlichung in Fischer & Teichwirt besprochen wurden, verdienen gründlich angegangen zu werden. Es war bisher schon bekannt, dass kurzfristige Untersuchungsprojekte mit Zeitrahmen von ein bis drei Jahren an der Frage des Fischbesatzes scheitern, gerade weil sie mit lang bewährten Arbeitsgeräten durchgeführt werden.
Wir brauchen langfristig angelegte Untersuchungsprojekte mit einer Mindestlaufzeit von zehn Jahren und orientierten uns bei der Gerätefrage an der Meeresbiologie. Erfassung des Fischbestandes zum Zweck einer Abschätzung des möglichen Ertrages für eine nachhaltige Nutzung stellte die Meeresfischereiforschung vor enorme Herausforderungen. Heute kann man sagen, dass dafür Antworten gefunden wurden, z. B. in den Untersuchungen zur Erfassung pelagischer Fischeier.
Es braucht einen weltweiten Wettbewerb zwischen Arbeitsgruppen, in denen eine Zusammenarbeit von naturgeschichtlich orientierten Biologen und Technikern aus der Fischerei und der Wasserwirtschaft gepflegt werden. Das ist ganz im Sinne von Windelband, der sagte, dass es in den Lebendwissenschaften zwei Haltungen bestehen können. Heute wird die Auffassung vertreten, dass beide Haltungen, die beschreibende und die Regeln suchende Haltung sich ergänzen können und müssen. Ich habe selbst in meinem Studium mich viel der Naturgeschichte gewidmet, ich finde sie unverzichtbar für die Arbeit, weil ich die Vielfalt des Lebens erfassen muss, wenn ich das Leben und die Regeln für das Zusammenleben in einem Ökosystem verstehen will. Aber ich komme an der Prüfung und Verbesserung der Arbeitsgeräte nicht vorbei. Ein Vorbild ist mir dabei die Bearbeitung des Ichthyoplankton. Den Anstoß dafür gab Victor Hensen mit dem Bemühen, das Zooplankton quantitativ zu erfassen. Sein wichtigster Ansatz war die Frage der Durchlässigkeit eines Planktonnetzes für das Wasser, das vor die Netzöffnung gerät. Er hat die Netzmaschen ausgemessen und anhand der Formel für das Toricelli-Theorem berechnet, wieviel Wasser das Netz filtrieren kann. Die Einwände gegen seinen Arbeitsansatz kamen schnell: das Netz unterliegt einer Verstopfung, die nicht kontrolliert werden kann. Im Jahr 1930 wurde seine Fragestellung in Kalifornien wieder aufgenommen und weiterentwickelt.
Die nächsten Jahrzehnte waren geprägt von der Auswertung und Prüfung von Netzzug und Pumpenfang in Variationen. Eine vorläufige Bewertung gab Lenz (1972), der zeigte, dass für die Beprobung von größeren Zooplanktern mit geringer Dichte Hunderte von Kubikmetern Wasser filtriert werden müssen. Für die verwendete Maschenweite von 300 µ entsprechend der Größe der Fischeier und Fischlarven muss die Netzfläche das 3,5 fache der Netzöffnung aufweisen, um alles Wasser, das vor die Netzöffnung kommt, filtrieren zu können. Ist die Netzfläche zu klein, wird nur ein Teil des Wassers vor der Netzöffnung in das Netz eintreten und der andere Teil wird um das Netz herumfließen. Sind die Zielobjekte etwa Wasserflöhe im Binnensee kleiner, so dass eine Maschenweite von 100 µ benutzt wird, müsste die Netzlfäche entsprechend größer bemessen werden. In der Folge müsste das Netz länger konstruiert werden, aber unhandlich für den Einsatz auf einem kleinen Boot. Dazu müsste mit je einem Flowmeter innerhalb und außerhalb der Netzöffnung gemessen werden, ob die Netzmaschen frei von Verstopfung geblieben sind.
Die Alternative ist die Zooplanktonbeprobung mit einer Pumpe. Dabei ist zu beachten, dass der Schlauch auf einer Rolle den Druck der Pumpe vermindert. Die fachliche Lösung sind Rohre, welche zusammengesteckt werden können und durch das Saugen der Pumpe sich abdichten. Darüber hinaus ist die Pumpe so zu bemessen, dass der Saugstrom an der Ansaugöffnung mit seiner Fließgeschwindigkeit die Fluchtgeschwindigkeit der Zooplanktonorganismen übertrifft.